«Auch finanziell kam ich auf eine neue Stufe»

10. Juli 2023

Self-Made-Man: Kol Shtufi ist 29 Jahre alt und seit Jahren als Lastwagenchauffeur auf der Strasse unterwegs. Erst kürzlich hat er erfolgreich den Lehrabschluss zum Strassentransportfachmann EFZ gemeistert, und dies im Selbststudium. Möglich macht das der Artikel 32 im Berufsbildungsgesetz, der Erwachsenen die Option bietet, einen Berufsabschluss auf verschiedene Arten und verkürzt nachzuholen. Auch für Quereinsteiger oder künftige Disponenten ist der Artikel 32 interessant. Kol Shtufi erklimmt inzwischen bereits die nächste Stufe der Karriereleiter. «Profis on Tour» hat mit ihm gesprochen.

Profis on Tour: Herr Shtufi, Ihr Werdegang ist nicht ganz alltäglich. Erzählen Sie uns davon.

Kol Shtufi: 2014 habe ich ohne Lehre angefangen, als Lastwagenchauffeur zu arbeiten. Ab 2018 war ich dann vier Jahre lang am Steuer bei Camion Transport. Ich war schon so lange im Beruf, da wollte ich irgendwann auch die Lehre dazu machen. Und inzwischen bin ich Disponent bei der Camion Transport AG in Rothenburg.

 

Wie sind Sie auf den Artikel 32 gestossen?

Ich habe lange nach einer Möglichkeit für die Lehre in der Erwachsenenbildung gesucht. In Luzern gibt es die leider nicht. Mit den normalen Lernenden den Tag durch in die Schule, ging finanziell nicht auf. Also habe ich mich entschieden, den Strassentransportfachmann im Selbststudium nachzuholen. Ich habe mich also komplett allein auf die Prüfung vorbereitet.

 

Wie hat das für Sie funktioniert?

Es war schon schwierig, allein zu lernen. Du hast keine Ahnung, was an der Prüfung überhaupt kommt. Eine Anlaufstelle zu finden, wo du nach dem Material fragen kannst, ist schwierig. Zum Glück habe ich Toni Schmid vom Galliker gekannt, er konnte mir ein paar Übungsblätter besorgen. Am wichtigsten war das Buch «Auf Achse», das kann ich gut empfehlen. Alles in allem hat das Ganze dann aber doch erstaunlich gut geklappt: Nach einem Jahr mit lockerer Recherche und einem weiteren Jahr in konzentriertem Selbststudium an den Wochenenden bestand ich die Prüfung.

 

Mit welcher Note, wenn wir fragen dürfen?

Mit einer 5,1!

 

Gratulation. Wollten Sie mit dem Artikel 32 einfach Ihren Werdegang bereinigen oder können Sie in Ihrer Karriere auch sonst davon profitieren?

Also in der Firma wurde mein Interesse an der Ausbildung sehr geschätzt. Und lohntechnisch sieht es nun mit einem Lehrabschluss viel besser aus als ohne. Ausserdem glaube ich, dass man ein besserer Disponent sein kann, wenn man selbst auf der Strasse war. Daher würde ich das «Nachholen» der Lehre in 1-2 Jahren auch angehenden Disponenten empfehlen, die bis jetzt nur im Büro waren.

 

Warum haben Sie sich schlussendlich für den Weg ins Büro entschieden?

Die Zeit am Steuer war für mich sehr schön. Man ist überall, man sieht, wie schön und gleichzeitig hart der Job ist. Mir hat es sehr viel Spass gemacht, ich hatte jeden Tag Freude daran, etwas Neues zu sehen. Ich war in Genf, Lausanne, habe die ganze Schweiz gesehen. Ich kann nicht ausschliessen, dass ich irgendwann wieder fahren werde. Hinter dem Steuer gibt es niemanden, der dir sagt, was du zu tun hast. Vielleicht werde ich das irgendwann vermissen. Aber nach acht Jahren wurde es für mich Zeit, mich weiterzubilden.

 

Zurück zum Artikel 32. Wie viel hat die Berufsprüfung gekostet?

Bis jetzt ist keine Rechnung gekommen. Die Gemeinde bzw. der Staat bezahlt die Ausbildung.

 

Trotzdem ist die Berufsprüfung nach Artikel 32 noch nicht so bekannt.

Ja, ich war der einzige mit diesem Weg an der Berufsprüfung. Warum, weiss ich auch nicht. In der Logistik gibt es mehr, die diesen Weg verfolgen… Ich empfehle jedem, der schon eine andere Lehre hat oder auch ohne Lehre im Transport tätig ist, den Artikel 32 zu machen. Die Vorbereitung auf die Berufsprüfung erweitert das Wissen und mit dem zusätzlichen Diplom kann man auch finanziell einen Schritt vorwärts machen. Auch mit 40 kann man das noch im Selbststudium machen. Ich finde es schön, wenn man seine Ziele auch später noch erreichen kann. Es ist nie zu spät!